Sind Tiere Sachen?

Naturwissenschaftlich betrachtet sind auch wir Menschen Tiere und es wird keine strikte Trennlinie zwischen Mensch und Tier gezogen. In den Rechtswissenschaften sieht das ganz anders aus. Die Rechtsordnung ist stark am Menschen und dem Zusammenleben von Menschen orientiert. Der Mensch steht im Zentrum der Rechtswissenschaften. Daher findet auch eine strenge Trennung zwischen Mensch und Tier statt.

Menschen sind sogenannte natürliche Personen. Als solche sind die Träger von Rechten und Pflichten.[1] § 285 ABGB[2] regelt, dass „alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient“ im rechtlichen Sinne eine Sache genannt wird. Bis zum 1.Juli 1988 galten auch Tiere als Sachen und somit als Rechtsobjekte (Gegenstand des Rechtsverkehrs, keine Träger eigener Rechte und Pflichten).[3] Mit dem Bundesgesetz vom 10.März 1988 über die Rechtsstellung von Tieren[4] wurde ein neuer § 285a ABGB eingeführt. Tiere sind laut dieser neuen Bestimmung explizit keine Sachen. Auf den ersten Blick scheint das aus Sicht des Tierschutzes gut zu klingen. Tatsächlich hat § 285a ABGB aber leider nur „programmatische und bewusstseinsbildende Funktion“[5]. Es handelt sich dabei so gesehen um ein bloßes Lippenbekenntnis. Denn liest man § 285a ABGB weiter, stößt man auf folgenden Satz:“ Die für Sachen geltenden Vorschriften sind auf Tiere nur insoweit anzuwenden, als keine abweichenden Regelungen bestehen.“

Was heißt das?

Bestehen keine eigenen rechtlichen Bestimmungen für Tiere, sind sie weiterhin wie Sachen zu behandeln. So gelten Tiere etwa nach wie vor als Rechtsobjekte und sind damit keine Träger von eigenen Rechten und Pflichten.[6] Ein Tier hat also zum Beispiel kein Recht auf Leben. Sein Leben wird nur insoweit geschützt, als es tierschutzrechtliche Bestimmungen gibt, deren Ziel es ist dieses zu schützen. Derartige tierschutzrechtlichen Bestimmungen finden sich etwa im TSchG[7] oder in § 222 des StGB[8] und schützen Tiere zum Beispiel nur vor Tötungen „ohne vernünftigen Grund[9]“ oder vor „mutwilliger Tötung“[10]. An Tieren kann Eigentum erworben werden und Schäden an einem Tier sind vom zivilrechtlichen Begriff des Sachschadens erfasst. So zählt ein Hund etwa zum Vermögen seines Herrlis oder Fraulis und hat damit einen gewissen Vermögenswert.[11]

Durch die Schaffung von Sonderregeln für Tiere könnte sich § 285a ABGB von einer bloß programmatischen Bestimmung zu einer tatsächlichen Tierschutzbestimmung wandeln und die Rechtsstellung von Tieren verbessern. 


[1] Koch, Zu § 16 ABGB, in Bydlinski/Perner/Spitzer, KBB – Kurzkommentar zum ABGB (2023) Rz 1.

[2] Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch JGS 1811/946 idF BGBl I 2023/115.

[3] Bydlinski, Das Tier, (k)eine Sache?, RdW 1988 157.

[4] BGBl 1988/179.

[5] Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 285a.

[6] Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 285a.

[7] Tierschutzgesetz BGBl I 2004/118 idF BGBl I 2022/130.

[8] Strafgesetzbuch BGBl 1974/60 idF BGBl I 2023/100.

[9] Siehe § 6 Abs 1 TSchG.

[10] Siehe § 222 Abs 3 StGB.

[11] Helmich in Kletečka/Schauer, ABGB-ON § 285a.