Ein kurzer Überblick über die neuen Regelungen
Die neue nationale Tiertransportverordnung ergeht auf Basis der Verordnungsermächtigung des § 20b Tiertransportgesetz 2007 (TTG 2007). Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz legt somit mit dieser Verordnung nähere Bestimmungen zu Transportfähigkeit, Transportmittel und zusätzliche Bedingungen für lange Beförderungen fest. Diese nationale Verordnung darf nicht mit der EU-Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport verwechselt werden. Die EU-Verordnung ist der nationalen Verordnung und dem TTG 2007 übergeordnet und wird mittels der nationalen Rechtsakte vollzogen. Da die EU-Verordnung sehr ausbaufähig in Sachen Tierschutz ist, hat die EU-Kommission im Dezember 2023 einen Vorschlag für eine neue und überarbeitete EU-Tiertransportverordnung vorgelegt. Näheres zu diesem Vorschlag hier oder auch hier.
Transportfähigkeit und Versorgung der Tiere während des Transports
Die neue nationale Tietransportverordnung sieht unter anderem vor, dass der Auftraggeber dafür zu sorgen hat, dass nichtentwöhnte Tiere mit der Tränkvorrichtung am Transportmittel vertraut sind. Nichtentwöhnte Kälber1 sind bis zu einem Alter von zwei Monaten im Abstand von maximal neun Stunden mit artspezifischer Milch oder einem geeigneten Milchersatz zu füttern.
Verbesserungen in der Versorgung von nicht entwöhnten Tieren vor und während des Transports sind wesentlich, da diese einen erhöhten Nährstoffbedarf haben. Nicht entwöhnte Kälber sind Saugtrinker und brauchen daher bestimmte Tränkvorrichtungen, um Flüssigkeit aufnehmen zu können. Sind die Transportfahrzeuge und die Tränkvorrichtungen an Sammelstellen oder während Reisepausen für die Kälber nicht bedienbar, können sie weder ausreichend mit Wasser noch mit Milch oder Milchersatz versorgt werden.
Die nationale Tiertransportverordnung verankert nun, dass nichtentwöhnte Tiere mit der Tränkvorrichtung am Transportmittel vertraut sein müssen. Die Verordnung erklärt außerdem, dass Metallnippel- oder Schalentränken für die Versorgung von nicht entwöhnten Kälbern nicht geeignet sind und Überdrucksysteme nicht zulässig sind. All das sind wichtige Vorgaben, um die Versorgung nicht entwöhnter Tiere während des Transports zu verbessern.
Die ÖjGT merkt hierzu allerdings an, dass die Versorgung der Tiere regelmäßig nicht durch den Auftraggeber eines Transports vorgenommen wird, da es sich bei diesem nach dem TTG 2007 auch um den bloßen Organisator des Transports handeln kann. Die Verantwortung für die Einhaltung der Verpflichtungen sollte demnach letztlich den Auftraggeber treffen und dabei aber klargestellt werden, wie dieser für die Einhaltung der Vorgaben Sorge zu tragen hat, wenn er selbst beim Transport nicht anwesend ist (das kann zB durch Anweisungen an den Transportunternehmer oder Betreuer der Tiere erfolgen).
Die Einführung eines fixen Intervalls für die Fütterung nichtentwöhnter Kälber ist sehr positiv und wichtig, da die (Flüssig)Fütterung der Kälber während des Transports derzeit nicht möglich ist. Die Verordnung legt zudem fest, dass die Tiere hierbei mit artspezifischer Milch oder geeignetem Milchersatz zu füttern sind. Das ist von großer Bedeutung, da die Kälber bisher häufig mit Elektrolytlösungen versorgt werden, wodurch der Nährstoffbedarf der Tiere nicht ausreichend gedeckt werden kann.
Wichtig wäre es jedoch hierbei auch festzulegen, dass nicht abgesetzte Kälber als letzte Nahrung vor dem Transport mit Milch oder Milchersatz und nicht mit Elektrolytlösungen versorgt werden sollten. Näheres hierzu im EFSA Bericht “Welfare of Battle during Transport” 3.9. B.i.feeding.
Außerdem sollten fixe Fütterungsintervalle für alle nicht entwöhnten Tiere festgelegt werden.
Video- und Fotodokumentation als zusätzliches Kontrollinstrument
Nach der Verordnung verpflichtet sich der Auftraggeber bei Langstreckentransporten dazu, Video-/Fotodokumentation an der Versorgungsstation und am Bestimmungsort anzufertigen und nach dem Transport der Behörde vorzulegen. Dabei müssen das Fahrzeug identifizierbar und der Zustand der Tiere beurteilbar sein. Eine solche Verpflichtung sieht die ÖjGT als sehr sinnvolles Kontrollinstrument an, solange ausreichend darauf gedachtet wird, dass die Aufnahmen tatsächlich von diesem Transportvorgang stammen und die Aufnahmen bei der Retrospektivkontrolle auch entsprechend ausgewertet werden.
Zu der Verpflichtung des Auftraggebers und seinem eventuell fehlendem Zugang zu den Tieren siehe bereits oben.
Einführung von maximal und minimal zulässiger Fahrzeuginnentemperatur und anderen Temperaturvorschriften
Die Verordnung verankert eine maximal und minimal zulässige Innentemperatur während des gesamten Transportvorgangs. Diese hat zwischen 5°C und 30°C zu betragen. Die Festlegung eines zulässigen Temperaturbereichs für den Innenraum des Fahrzeugs sieht die ÖjGT als sehr sinnvoll an. Es ist jedoch anzumerken, dass die Maximaltemperatur für Kälber nach den Ausführungen der EFSA nicht mehr als 25°C betragen sollte, da bereits dann der kritische Bereich für die Tiere erreicht ist. Auch für bestimmte Schweine arten ist der kritische Temperaturbereich bereits bei maximal 25°C erreicht.
Zusätzlich legt die nationale Tiertransportverordnung fest, dass Langstreckentransporte dann, wenn laut
Wetterprognose eine Tageshöchsttemperatur von 30° Celsius zu erwarten ist, nur während jener
Tageszeit stattzufinden haben, in der es unter 30° Celsius hat. Ist auf einem oder mehreren Streckenabschnitten entlang der geplanten Route eines Langstreckentransportes von Lebendtieren laut Wetterprognose eine Tageshöchsttemperatur von 30° Celsius oder mehr an zumindest einem Tag zu erwarten, ist Transport nur zulässig, wenn entweder ein vollklimatisiertes Fahrzeug verwendet wird, oder der Transport auf der gesamten Strecke ausschließlich bei einer Außentemperatur von unter 30°C
durchgeführt wird.
Großer Kritikpunkt: Keine Strafbestimmungen für Nichteinhaltung der neuen Vorgaben
Ein großes Manko der neuen Verordnung ist aus Sicht der ÖjGT jedoch, dass es derzeit noch keine Strafbestimmungen für den Fall der Nichteinhaltung der neuen Vorgaben gibt. Damit die neuen Vorgaben effektiv sind und nicht die Wirkung bloßer Empfehlungen haben, braucht es dringend Strafbestimmungen für die Nichteinhaltung neuer Verpflichtungen. Solche Strafbestimmungen könnten etwa in das TTG 2007 eingefügt werden.
Transporte von Kälbern ab 3 Wochen und Langstreckentransporte in Drittstaaten sind nach wie vor zulässig
Leider können Kälber auch nach Erlassung der nationalen Tiertransportverordnung noch ab einem Alter von nur drei Wochen (auch über lange Strecken) transportiert werden. Hier bleibt nur zu hoffen, dass es durch die neue EU-Tiertransportverordnung in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft zu Besserungen kommen wird.
Außerdem bleiben die sehr umstrittenen Langstreckentransporte in Drittstaaten nach wie vor zulässig. Medienberichte und Aufdeckungen von Tierschutzorganisationen zeigen regelmäßig auf, wie grauenhaft diese Transporte für die Tiere sind. Es gab hier bereits zu viele Missstände, um derartige Transporte noch zu erlauben.
Fazit
Die neue nationale Tiertransportverordnung enthält viele wichtige Bestimmungen und ist ein wesentlicher Schritt, um das Leid der Tiere zu verringern. In manchen Bereichen sollte die Verordnung jedoch weitgehender sein. Außerdem ist darauf zu verweisen, dass die Einhaltung der Vorgaben umfänglich kontrolliert werden muss und dass es eigene Strafbestimmungen für die Nichteinhaltung braucht.
- Nichtentwöhnte Tiere sind Jungtiere, die noch von Flüssigfütterung (Milch oder Milchersatz) abhängig sind. ↩︎