Jährlich sterben in Österreich bis zu 25.000 Rehkitze durch Mähwerke
In den Monaten Mai und Juni werden Rehkitze geboren. Zum Schutz vor Fressfeinden legt die Mutter ihre Kitze in das hohe Gras ab. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, lässt sie ihre Rehkitze getarnt in hohen Wiesen zurück und besucht sie nur zum Säugen. Erst nach ein paar Wochen sind die Rehkitze stark genug, um dauerhaft ihrer Mutter zu folgen. Diese Taktik ist sehr effektiv gegen Fressfeinde, aber birgt leider ein anderes großes Risiko mit sich. Durch Mäharbeiten werden jährlich bis zu 25.000 Rehkitze getötet. Anders als ihre ausgewachsenen Artgenossen laufen die Tierkinder bei Gefahr noch nicht davon, sondern machen sich instinktiv klein und verharren regungslos in ihrem Versteck. Die scharfen Messer der Mähmaschinen führen zu schlimmen Verletzungen und zahlreichen Todesfällen.
Der Einsatz von Drohnen als effektives Mittel zur Rettung der Rehkitze
Es gibt effektive Mittel, um zu verhindern, dass jährlich eine so hohe Anzahl an Rehkitzen durch Mähmaschinen getötet werden. Neben dem Absuchen der Wiesen durch mehrere Personen, gibt es auch die Möglichkeit die Wiese vor dem Mähen mit Drohnen zu überfliegen. Die Drohnen sind mit Wärmebildkameras ausgestattet und ermöglichen es so, die versteckten Rehkitze sichtbar zu machen. Drohnenpilot:innen können sich online registrieren lassen, um den Kampf gegen den Mähtod von Rehkitzen zu unterstützen.
Der Einsatz von bestimmten Mähmethoden, das Anmähen eines Randstreifens der Wiese vor der Mahd oder das Anbringen von störenden Objekten auf der Wiese sind weitere Mittel, den Mähtod zu verhindern. Weitere Informationen hier.
Aktuelles Ermittlungsverfahren: Landwirt soll vier Rehkitze getötet und zwei weitere schwer verletzt haben
Die Staatsanwaltschaft Linz ermittelt derzeit gegen einen Landwirt, der sechs Rehkitze verstümmelt und teils getötet haben soll. Nach Aussagen örtlicher Jäger verfügten diese über Drohnen und sollen dem Landwirt mehrmals angeboten haben, die Wiese kostenlos nach Rehkitzen abzusuchen. Der Landwirt habe die Warnungen der Jäger aber ignoriert und das Angebot der kostenlosen Drohnen-Absuche schroff abgelehnt. In der Folge fanden die örtlichen Jäger mehrere tote und teils schwer verletzte Rehkitze in der Wiese. Die schwer verletzten Kitze hatten nach Aussage der Jäger keine Beine mehr und mussten erlöst werden. Die Jäger erstatteten Strafanzeige. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Landwirt wegen Tierquälerei.
Rechtliche Einordnung des Falles durch die ÖjGT
Gegen den Landwirten wird nun wegen § 222 StGB, dem Delikt der Tierquälerei ermittelt. Nach diesem Tatbestand ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen, wer ein Tier unter anderem roh misshandelt oder ihm unnötige Qualen zufügt. Die rohe Misshandlung oder Zufügung unnötiger Qualen verlangt zumindest bedingten Vorsatz des Täters. Dieser liegt dann vor, wenn es der Täter zumindest ernstlich für möglich hält, ein Tier roh zu misshandeln oder ihm unnötige Qualen zuzufügen und sich damit abfindet. Unter Misshandeln von Tieren fällt das Zufügen von Schmerzen. Die Misshandlung muss, um den Tatbestand zu erfüllen eine gewissen Rohheit aufweisen, was eine gewisse Intensität der zugefügten Schmerzen und eine “gefühllose Gesinnung” des Täters voraussetzt, was bei Fehlen eines “vernünftigen und berechtigten Zwecks” angenommen wird. Auch das Zufügen von Qualen erfüllt nur dann den Tatbestand, wenn es keinem “vernünftigen und berechtigten Zweck”dient. Wann es als “vernünftig und berechtigt” erscheint Tiere zu misshandeln oder zu quälen, wird im Einzelfall beurteilt.
Wenn der Landwirt, wie von den örtlichen Jägern beschrieben, davor gewarnt wurde, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass Rehkitze versteckt im hohen Gras liegen könnten, hielt er es ernstlich für möglich, dass sich in der Wiese Rehkitze befinden. Darüber hinaus muss es einem Landwirt allein aus seiner Berufserfahrung und Ausbildung heraus bekannt sein, dass Rehkitze in den frühen Sommermonaten geboren werden und in hohem Gras versteckt sind. Hat der Landwirt selbst keine präventiven Mittel zum Schutz der Rehkitze eingesetzt und zusätzlich das kostenlose Absuchen mit Drohnen abgelehnt, kann darin auch auf eine gefühllose Gesinnung des Landwirts geschlossen werden. Gerade, da es effektive und bekannte Präventionsmaßnahmen gibt, weist das Durchführen der Mäharbeiten ohne jegliche solcher Maßnahmen auf eine Rohheit der Handlung hin. Darüber hinaus kann das Mähen kein vernünftiger und berechtigter Zweck zur qualvollen Tötung der Rehkitze sein. Das Erheben von präventiven Schutzmaßnahmen ist notwendig, um Verletzungen und Tötungen der Tiere zu vermeiden.
Auch erfüllt sein könnte in diesem Fall teilweise der Tatbestand der “mutwilligen Tötung” des § 222 Absatz 3 StGB. Mutwillig ist die Tötung dann, wenn sie einerseits ohne “vernünftigen Grund” erfolgt und andererseits ohne berechtigten Zweck, aus reiner Bequemlichkeit oder aus Boshaftigkeit begangen wird. Das kann zum Beispiel dann angenommen werden, wenn eine andere Lösung anstelle der Tötung leicht zu bewerkstelligen wäre. Das Angebot zur kostenlosen Drohnen-Absuche der Wiese zeigt, dass eine andere Lösung leicht verfügbar gewesen ist und sie der Landwirt wohl zumindest aus schlichter Bequemlichkeit abgelehnt haben könnte.
Selbst wenn die Tatbestände des § 222 StGB nicht als erfüllt angesehen werden, ist darauf zu verweisen, dass das Tierschutzgesetz es verbietet Tiere “ohne vernünftigen Grund” zu töten und Tieren “ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen”.